Nur wenige Fragen konnten in der letzten Zeit von mehr als 25 Jahren die Rechtssicherheit von Arbeitnehmern und Mitgliedern der vertretungsbefugten (statutarischen) Organe bei Handelsgesellschaften und juristischen Personen derart verletzen, wie das sog. Zusammenfallen von Funktionen, d.h. paralleles Bestehen der Funktion eines Organmitglieds und eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses.

Eine der ersten Stellungnahmen zur Unzulässigkeit der Ausübung vom Amt des Mitglieds eines vertretungsbefugten Organs im arbeitsrechtlichen Verhältnis, der sich auch das Oberste Gericht der Tschechischen Republik angeschlossen hat, stellt der Beschluss des Obergerichts in Praha AZ: 6 Cdo 108/92 vom 21.04.1993 dar, der unter der Nr. 13/1995 in der Sammlung der Gerichtsentscheidungen und Stellungnahmen veröffentlicht wurde, in dem hergeleitet wurde, dass „… die Tätigkeit eines vertretungsbefugten Organs (ggf. eines Mitglieds davon, falls es sich um ein kollektives Organ handelt) übt keine natürliche Person im Arbeitsverhältnis aus, und das auch nicht in dem Fall, dass diese kein Gesellschafter ist. Das Amt eines vertretungsbefugten Organs ist nämlich keine Art von Arbeit im Sinne § 29 Abs. 1 Buchst. a) des Arbeitsgesetzbuches [Gesetz Nr. 65/1965, Arbeitsgesetzbuch, in der Fassung der späteren Vorschriften] und Entstehung sowie Erlöschen dieses Rechtsverhältnisses werden mit keinen arbeitsrechtlichen Vorschriften geregelt, sondern sie richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Weder die Rechtsvorschriften noch der Charakter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung stellen ein Hindernis dar, dass natürliche Personen auf Grund eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses andere Tätigkeiten für diese Handelsgesellschaft ausüben.“

Ähnlich hat auch das Oberste Gericht der Tschechischen Republik bis zum Jahr 2016 entschieden und es hat die Ungültigkeit von arbeitsrechtlichen Vereinbarungen (Arbeitsverträge, Managerverträge usw.) hergeleitet, die mit Mitgliedern von vertretungsbefugten Organen abgeschlossen wurden, wenn deren Gegenstand die Ausübung eines Amtes sein sollte. Der Charakter der Sache hat allmählich dazu geführt, dass es notwendig war abzugrenzen, welche Tätigkeiten noch eine Arbeitsart darstellen dürfen und gleichzeitig mit der Funktion des vertretungsbefugten Organs auf Grund eines (gültigen) arbeitsrechtlichen Verhältnisses ausgeübt werden dürfen und welche nicht mehr. Der Ausweg war dabei die Unzulässigkeit, arbeitsrechtliche Funktion des „Generaldirektors“ gleichzeitig auszuüben, deren Inhalt dem Inhalt der Funktion des vertretungsbefugten Organs am meisten nähert. Das Oberste Gericht hat dann nach und nach dessen Stellungnahme abgeschwächt, als es bei vertretungsbefugten Organen z. B. das Zusammenfallen der Tätigkeit eines produktions-technischen Vize-Generaldirektors (Urteil des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik vom 04.05.2016 AZ: 21 Cdo 2310/2015) und kaufmännischen Direktors zugelassen hat (Urteil des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik vom 24.02.2015 AZ: 21 Cdo 496/2014). Andererseits sind jedoch einige auf den ersten Blick übliche Arbeitspositionen unter der Geschäftsführung untergeordnet und aus dem arbeitsrechtlichen Rahmen ausgeschlossen geblieben, siehe Beschluss des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik AZ: 21 Cdo 2831/2015 vom 20.02.2016, wonach „… Erweiterung der Geschäftsaktivitäten der Prager Kanzlei, Realisation von neuen Marktmöglichkeiten, die Wachstum der Prager Kanzlei sicherstellen, Aussuchen und Aufrechterhaltung von effektiven guten Beziehungen mit den Kunden, Wirtschaftsprüfern, Juristen, Steuerberatern und Finanz- und Regierungsinstitutionen und Erbringung von Beratungsleistungen den Klienten können zur Vertretung der Handelsgesellschaft nach außen und zu deren Geschäftsführung gezählt werden, die Organisierung und Führung der unternehmerischen Tätigkeiten der Gesellschaft, einschließlich Entscheidungen über deren unternehmerische Pläne darstellen“.

Gültigkeit oder Ungültigkeit der Vereinbarungen von Führungskräften mit Gesellschaft ist und war keine akademische Frage, denn diese hatte und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Ansprüche der Beteiligten (Vergütung, Gehalt, Prämien, Abfindung, ggf. Beteiligung an Sozialversicherung usw.), worüber anschließend bei Streitfällen Gerichtsverfahren geführt wurden.

Eine von der Rechtsprechung des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik abweichende Ansicht bezüglich des Zusammenfallens brachte erst der Beschluss des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik AZ: I.ÚS 190/15 vom 13.09.2016, in dem die bisherige Argumentation des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik zu Gunsten der Unzulässigkeit des Zusammenfallens von Funktionen und Ungültigkeit der Vereinbarungen als völlig ungenügend abgelehnt wurde. Das Verfassungsgericht der Tschechischen Republik hat auf eine Reihe von Unstimmigkeiten in der Argumentation des Obersten Gerichts (u.a. auf die oben angeführte unklare Grenze von zulässigen und unzulässigen Funktionen und Tätigkeiten) und auf die negativen Folgen auf rechtliche und gesellschaftliche Beziehungen (kleinerer Schutz der Mitglieder von vertretungsbefugten Organen gegenüber den Arbeitnehmern, Beeinträchtigung von Frauen, Auswirkungen auf die mit der Verfassung gesicherten Rechte und auf die Rechtssicherheit usw.) hingewiesen. Das Verfassungsgericht der Tschechischen Republik hat die Herangehensweise des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik eher kritisiert, als dass es selbst eindeutig festgelegt hätte, wie die „parallelen“ Vereinbarungen im Allgemeinen und in der Zukunft zu behandeln.

Auf den Beschluss des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik hat das Oberste Gericht der Tschechischen Republik reagiert, das in dem Beschluss AZ 31 Cdo 4831/2017 vom 11.04.2018 die eigene bisherige Rechtsprechung revidiert hat und diese von der Argumentation her ergänzt hat. Gemäß der hier ausgedrückten Ansicht des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik (die auch für die aktuelle Ansicht gehalten werden kann und in der Praxis zu beachten ist) können zwar die Beteiligten die Unterordnung ihres Verhältnisses aus dem Titel der Ausübung einer Funktion dem Regime des Arbeitsgesetzbuches vereinbaren, sie dürfen jedoch nicht von zwingenden Bestimmungen des Korporationsrechts abweichen (Regelungen betreffend Entstehung und Erlöschen der Funktion, Haftung usw.) und deren Vereinbarung ist gleichzeitig für keine arbeitsrechtliche Vereinbarung, sondern für eine spezifische korporationsrechtliche Abmachung zu halten, die im Falle der Gültigkeit und des späteren Abschlusses z.B. den Charakter eines Nachtrags zum Vertrag über die Ausübung einer Funktion haben kann. Wesentlich ist, dass in der gegebenen Abmachung mit einem Mitglied eines vertretungsbefugten Organs Regeln und Einschränkungen des Korporationsrechts zu beachten sind (z.B. Regime der Genehmigung durch die Organe der Gesellschaft).

Aus dem Beschluss des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik AZ: 31 Cdo 4831/2017 erfolgt somit nicht, dass ein Arbeitsvertrag mit einem Mitglied eines vertretungsbefugten Organs hinsichtlich Ausübung dessen Funktion abgeschlossen werden kann, bzw. dass solcher Vertrag unter allen Umständen gültig wäre. Die Praxis des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik und des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik bestätigt eher im Gegenteil, dass die seitens der Gerichte akzeptierte Vertragsfreiheit zwar erweitert sein wird, jedoch der Grundsatz, dass die Handlungen eher für gültig als für ungültig gehalten werden sollten, kommt nicht immer völlig und in allen Fällen zur Anwendung (siehe z.B. Beschluss des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik AZ: I.ÚS 1631/18 vom 19.05.2019).

Den Gesellschaften und Mitgliedern deren Vertretungsorgane bleibt somit nicht anderes übrig, als der Regelung ihrer gemeinsamen Beziehungen (weiterhin) eine besondere Sorgfalt zu widmen. Dabei sind deren aktuelle Situation und die Umstände, unter denen sie in die Rechtsbeziehung treten, zu berücksichtigen. War ein neues Mitglied des gegebenen vertretungsbefugten Organs in der Gesellschaft bisher nicht als Arbeitnehmer auf Grund eines (gültigen) Arbeitsvertrags beschäftigt, kann dem Abschluss eines Vertrags über die Ausübung der Funktion nicht ausgewichen werden, der seitens der kompetenten Organe der Gesellschaft ordnungsgemäß genehmigt werden muss. Steht das neue Mitglied des vertretungsbefugten Organs in einem gültigen und andauernden Arbeitsverhältnis, kommt zu dem Abschluss eines Vertrags über die Ausübung der Funktion noch eine Vereinbarung dazu, die dieses Verhältnis regelt, und zwar (je nach Umständen) z.B. in der Art dessen Unterbrechung für die Dauer der Ausübung der Funktion. Jedenfalls lohnt sich die Investition in eine geeignete Regelung, insbesondere dann im Vergleich der aufgewendeten Finanzmittel zu einem zeitaufwendigen Prozess.